Speakeasy: Wo der Begriff eigentlich herkommt
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Wenn ihr die Netflix-Serie Peaky Blinders geschaut habt, dann kennt ihr sie bereits: Die dunklen Spelunken, in denen Mann und Maus im Zwielicht der 1920er Jahre verschwanden, um sich fern aller Gebräuche ordentlich einen hinter die Binde zu kippen. Was in Städten wie London und Birmingham fixer Bestandteil der Trinkkultur war, wurde in Amerika zum Problem: Die Prohibition verbot zwischen 1920 und 1933 Herstellung, Verkauf und Transport von alkoholhaltigen Getränken in allen Staaten der US.
Aber wir Menschen hätten wohl kaum ein paar Jahrmillionen Evolution überlebt, wenn nicht auch hier ein paar findige Gesellen Lösungen und Schlupflöcher entwickelt hätten. Mit dem Verbot „offizieller“ Kneipen entwickelten sich im Halbschatten des kriminellen Untergrunds eben nicht-offizielle: Die sogenannten „Flüsterkneipen“, auf Englisch speakeasy.
Von Mondenschein und Badewanne – die Prohibition leicht erklärt
Kennt man die Hintergrundgeschichte ein wenig, scheint der Name einleuchtend: Ein Speakeasy ist eine Bar, in der man leise spricht. Lautes Lärmen und Krakeelen infolge eines überhöhten Alkoholkonsums, hätten etwaige Passanten und Ordnungshüter neugierig gemacht und die gut versteckte Kneipe auffliegen lassen – zum Leidwesen aller, die sich darin befanden und der Betreiber.
Diese wiederum waren häufig mit kriminellen Banden wie der von Al Capone verbunden: Ironischerweise war es gerade das Verbot von Spirituosen und anderweitig alkoholhaltigen Getränken, das zur Blütezeit der organisierten Kriminalität führte. Das große Netzwerk der Bandenführer ermöglichte den Schmuggel (engl. bootlegging oder rum-running) ausländischer wie inländisch (dann aber illegal) hergestellter Spirituosen.
Ein Begriff aus dieser Zeit ist euch vielleicht der sogenannte moonshine: Hinter dem poetisch anmutenden Namen verbirgt sich jedoch nichts anderes als heimlich hergestellter Whiskey. Da hochprozentige Spirituosen wie Rum und Whiskey in geringen Mengen schneller für Rauschzustände sorgten als Bier und Wein und zudem länger haltbar waren, waren sie die Sieger der Prohibitionszeit.
In Hinblick auf die Cocktailkultur ging es am Tresen der Speakeasies nicht mehr darum, den puren Geschmack hochwertiger Spirituosen zu feiern, sondern vielmehr darum, das Stechen und Beißen minderwertigen Fusels zu überdecken. Nicht jeder im Hinterhof gereifte Whiskey und nicht jeder in der eigenen Badewanne mazerierte Gin war von kundigen Händen gebrannt worden: Ein Übermaß an Vor- und Nachlauf im fertigen Destillat ließ die Produkte gefährlich werden. Vergiftungserscheinungen, Blindheit, Übelkeit und Erbrechen waren nur einige der möglichen Folgen des Konsums billig gebrannten Alkohols.
Red means Dead – Folgen der Prohibition
Als der 18. Zusatzartikel im Jahre 1933 wieder aufgehoben wurde, um Geld in die amerikanischen Kassen zu spülen, hatten sich Schätzungen zufolge bis zu 100.000 Speakeasies im Land etabliert. Versteckt waren die Kneipen in Schuhgeschäften, in Kellern, Privaträumen und Ställen – überall da, wo sich von außen keine Kneipe vermuten ließ. Manche Etablissements gewährten nur einem engen Zirkel auserwählter Bekannter den Zutritt, andere stellten durch die Verwendung versteckter Eingänge und von Passwörtern sicher, dass sich kein Verräter an den Tresen begab.
Mit der Aufhebung des Alkoholverbots verlagerte sich die organisierte Kriminalität auf Glücksspiel und Drogenhandel; Spirituosen wurden zunehmend in besserer Qualität und gesundheitlich unbedenklicher Güte gehandelt. Ein Sprichwort der Zeit besagte, dass ein Teelöffel angezündeten Alkohols dessen Mängel verriet: So sollte eine blaue Flamme für sicheren Alkohol sprechen, eine gelbe für Fusel und eine rote für im Destillat enthaltenes Eisen – dieses wiederum führte in größeren Mengen eingenommen zu einer Eisenvergiftung und damit zum Tod.
Tatsächlich kamen Schätzungen zufolge zu Zeiten der Prohibition bis zu 10.000 Menschen infolge von Vergiftungen ums Leben. War also alles umsonst? Mitnichten. Trotz des florierenden Schwarzmarktes konnte die Prohibition den landesweiten Alkoholkonsum und die durch Alkohol induzierten Fälle von Leberzirrhose nachweislich senken. Und – viele Cocktailrezepte, die heute als Klassiker gelten, wie der Tom Collins, die White Lady oder der Franch 75, haben wir den Speakeasies der Zeit zu verdanken.
In dem Keller, neben der Ampel … – Speakeasies heute
Um das Jahr 2000 herum erlebte der Begriff Speakeasy ein legales Comeback: Lauschige Kneipen mit versteckten Zugängen, abgehängten Fenstern oder auch nur Tresen im Stil der 1920er-Jahre rühmten sich mit dem Namen, um bei einem exklusiven Publikum den Eindruck einer gewissen Zugehörigkeit und Privatsphäre zu generieren.
Speakeasy Bars im heutigen Sinn sind nicht leicht zu finden, manchmal durch Passwörter oder Türsteher geschützt und stehen bisweilen nur bestimmten Personengruppen offen. Brisanz erhielt das Thema zu Zeiten des Corona-Lockdowns, als der Besuch von Kneipen tatsächlich wieder illegal war – heute jedoch erscheint der Name Speakeasy größtenteils als Beiwerk, das den Stil einer Bar, nicht aber deren Legalität bezeichnet.
Wollt ihr echten 1920er-Jahre-Flair erleben, könnte sich der Besuch einer Flüsterkneipe empfehlen – und vor Moonshine-Whiskey, Bandenkrieg und Eisenvergiftung müsst ihr heute (in der Regel) keine Angst mehr haben 🙂
Cheers!